Warenfetisch

Als Warenfetisch (auch Warenfetischismus) bezeichnet Karl Marx (1818–1883) in seinem Hauptwerk Das Kapital (1867) das seiner Analyse nach quasireligiöse dingliche Verhältnis zu Produkten, die Menschen in arbeitsteiliger Produktion bzw. gesellschaftlicher Arbeit füreinander herstellen.

Zu Marx’ Zeiten wurde der Ausdruck Fetisch in erster Linie in Zusammenhang mit animistischen Religionen benutzt. Die Konnotation mit Sexualität kam erst durch Sigmund Freuds (1856–1939) Konzept des sexuellen Fetisches in der Psychoanalyse ab 1890. Marx' Warenfetisch bezieht sich auf den Fetisch-Begriff im magisch-religiösen Sinn. In Das Kapital überträgt Marx den Fetischbegriff auf Erscheinungen der politischen Ökonomie: Im Kapitalismus würden den Waren, dem Kulturprodukt Geld und schließlich dem Kapital Eigenschaften zugeschrieben, die diese in Wahrheit nicht haben. Es gebe

„[…] die der kapitalistischen Produktionsweise eigentümliche, und aus ihrem Wesen entspringende fetischistische Anschauung, welche ökonomische Formbestimmtheiten, wie Ware zu sein, produktive Arbeit zu sein etc., als den stofflichen Trägern dieser Formbestimmtheiten oder Kategorien an und für sich zukommende Eigenschaft betrachtet.“[1]

Der Kerngedanke besteht darin, dass so wie Gott, der, obwohl ein Geschöpf menschlichen Denkens, seinen menschlichen Schöpfer beherrscht, den Produzenten die von ihnen produzierten Waren wie ein Fetisch erscheinen, obwohl sie nur Vergegenständlichungen ihrer Arbeit sind.

Marx verfolgte mit seinem Konzept zwei Ziele. Einerseits wollte er in polemischer Absicht den Mitgliedern bürgerlicher Gesellschaften, die von sich dachten, sie seien vernünftiger als Fetischanhänger in Afrika, ihren Warenfetisch entgegenhalten. Andererseits versuchte Marx, warenproduzierende Gesellschaften zu untersuchen und darzustellen, auf welche besondere Art und Weise die Produzenten soziale Verhältnisse eingehen.[2]

Der Geldfetisch (auch Geldfetischismus) und der Kapitalfetisch (auch Kapitalfetischismus) stellen logische Weiterentwicklungen des Warenfetischs dar. Andere Ausdrücke wie Lohnfetisch oder Staatsfetisch gebrauchte Marx nicht.[3] Marx behandelte jedoch einige Verkehrungen und Mystifikationen, wie die Mystifikation des Lohnes.[3] Die Fetischismen und Mystifikationen hängen miteinander zusammen und gipfeln in der trinitarischen Formel im dritten Band von Das Kapital.

  1. Karl Marx: Das Kapital 1.1. Sechstes Kapitel: Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses. Die Zusammenfassung des Ersten Bandes des "Kapitals". Dietz-Verlag, Berlin 2009, S. 131.
  2. Michael Heinrich: Grundbegriffe der Kritik der politischen Ökonomie. In: Michael Quante/David P. Schweikard (Hrsg.): Marx-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung. 1. Auflage. J. B. Metzler, Stuttgart 2016, S. 178.
  3. a b Michael Heinrich: Grundbegriffe der Kritik der politischen Ökonomie. In: Michael Quante/David P. Schweikard (Hrsg.): Marx-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung. 1. Auflage. J. B. Metzler, Stuttgart 2016, S. 180.

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